Eurega Rheinmarathon 2005

Neuwied bis Bonn

 

Qualen auf dem Rhein

Am Samstag, dem 07.05.05. waren Ruderer des RV Treviris an einem Event beteiligt, das so wohl noch wenige Trierer Ruderer erlebt haben.

Auf dem Programm stand für Patrick Chamberlain, Nick Graham, Kirk Langley, Mark Williams und Philipp Münchmeyer die Teilnahme an der EUREGA, dem so genannten Rheinmarathon, ausgerichtet vom Bonner Ruderverein. Während dies jedoch eine 45 km lange Strecke von Neuwied bis nach Bonn beinhaltet, hatte sich entschlossen, gleich aufs Ganze zu gehen und es mit der 100 km langen Strecke von St. Goarshausen / Loreley bis nach Bonn aufzunehmen. Daneben gab es lediglich 7 weitere Boote, die sich dieser Herausforderung stellten.

Bereits Tage zuvor hatten die Vorbereitungen begonnen, das Boot "rheinfest" zu machen. Da der Rhein ein wesentlich unberechenbareres Gewässer als die heimische Mosel darstellt, mit unbekannten Strömungen, hohem Wellengang und vor Allem auch regem Schiffsverkehr, musste - neben dem Studium der fünfseitigen Streckenkarte - auch das Boot umgebaut werden.

So wurden auf Bug und Heck zeltartige Konstruktionen aus Holz und Teichplane aufgebaut, um Wellenschlag und damit ein Volllaufen des Bootes zu verhindern. Weiterhin wurden vor dem Rennen die Ausleger abgeklebt, damit Wellen nicht über die Seiten ins Boot schlagen konnten. Mark Williams hatte sich dazu hervorragende Gedanken gemacht, die Konstruktion gebaut und vor Allem eine handliche Elektropumpe mit Batteriebetrieb eingebaut, die uns wertvolle Dienste erweisen sollte. Über einen kleinen Schalter beim Steuermann konnte diese eingeschaltet werden und das Wasser (in der guten alten Barbeln, die ohne einzelne Abteilungen immer komplett das Wasser aufnahm und zum Steuermann durchlaufen ließ) so aus der Bilge außenbords gepumpt werden.

Hatte man es auch vorher nicht gedacht, war doch der Steuermannssitz erstaunlich komfortabel geraten, angelehnt an die stabile Lehne konnte man mit einer Regenjacke bekleidet bequem und einigermaßen warm die vorbeiziehenden Burgen und Klöster betrachten.

Für die rudernde Abteilung war es allerdings anders...

Der Start als letztes Boot um 09.10 Uhr in St. Goarshausen (Philipp war gerade noch pünktlich) entließ uns bei etwa acht Grad Außentemperatur (das Wasser war glücklicherweise bereits bei etwa 15 Grad angelangt) auf den rauhen Rhein. Die ersten Kilometer liefen ganz flüssig und frischen Mutes, bis zu den ersten Standwellen (neben dem Schiffsverkehr, der etwas andere Wellen schmeißt, als der auf der Mosel), die wir bereits nach wenigen Kilometern bei Wellmich durchfuhren. Etwas ungewohnt war es schon - und wir daher auch noch etwas ängstlich- durch die etwa einen Meter hohen Wellen zu fahren, aus dem Wasser gehoben zu werden und mit lautem Krachen mit dem Bug voran wieder ins Wasser zu schlagen, während sich die Welle über der Bugabdeckung bricht und dann über der Mannschaft wieder schließt. Die Klamotten waren also nach fünf Minuten nass. Da half die Dicke nichts. Es folgten schöne, ruhige Abschnitte ohne Regen mit gutem Wasser, bis es in Boppard wieder soweit war, die nächsten Standwellen waren zu meistern, wir taten dies in einiger Souveränität, während das von uns bereits überholte Riemenboot mit den fünf jungen, ehrsüchtigen Kameraden weitaus mehr zu kämpfen und zu schwanken hatte. Fähren kamen uns währenddessen nicht in die Quere, doch die Schifffahrt mit mehreren Spuren in beiden Richtungen und mit erhöhter Tonnage und Geschwindigkeit war schwer zu berechnen und anzusteuern, da man sich nicht völlig außerhalb der Strömung am Rand bewegen wollte.

Mittlerweile war unsere Karte abhanden gekommen, wir mussten nach Gefühl fahren.

Nachdem wir in Koblenz bei zwischenzeitlichem Sonnenschein unter der Feste Ehrenbreitstein am deutschen Eck vorbei gefahren waren und uns bereits kurz überlegt hatten, dort in die Mosel einzubiegen und einfach nach Hause zu fahren, zeigte sich, dass das Gefühl richtig war, am AKW Mülheim- Kärlich, als wir nahe am Kraftwerk vorbeifuhren. Die mit uns gestarteten Ungarn hatten den rechten Arm an einer Insel vorbei genommen und mussten beim Wiedereintritt in den Hauptsrom nicht nur einen kleinen Wasserfall, sondern auch etliche Strömungen und Untiefen meistern, während wir uns bereits auf Hilfeleistung einstellten.

Gefühl war auch das Wort, das uns dann zum Anlegen bei der Neuwieder RG zwang, als gewisse Geschäfte nicht mehr während der Fahrt im Boot erledigt werden konnten. Das gab allen die willkommene Gelegenheit, etwas zu trinken und zu essen, wie die nasse Kleidung zu richten und Wechsel durchzuführen. Bereist eine halbe Stunde später mussten wir das Boot vorsichtig auf Land (eher einen kleinen Kiesstrand) setzen, weil das nächste Verdauungssystem sich meldete. trotzdem schafften wir es immer wieder, mit ordentlicher Frequenz, wenig Druck und sauberer Technik die Boote einzuholen, die uns während dieser Stops überholt hatten.

Die Wechsel der Steuermänner auf dem Wasser klappte hervorragend, keine Schäden am Boot oder Männer über Bord waren zu verzeichnen.

Es folgten die Standwellen am Andernacher Loch, die sich mehrfach ins Boot und in die Kleidung ergossen, doch das war mittlerweile egal, wir hatten unseren Weg gefunden, etwas kürzer zu schlagen und die Wellen trotzdem zügig zu durchfahren, die einzige Frage war beim ein oder Anderen wohl, wie lange das Boot das aushalten würde, immer mit voller Wucht und etwa 450 kg an Bord immer aua 1 m Höhe aufs Wasser zu schlagen. Doch es hielt.

Die richtige Qual begann erst in Remagen, etwa 30 km vor dem Ziel. Hier geschah das, was die Sieger (früher gestartet und ohne Pause gefahren) beim Anlegen erlebten: eine Regenfront mit Hagel verschlang uns. Der Wind zog etwa auf Windstärke 7 auf und es wurde dunkel. Naben dem Punkt, dass der Hagel auf dem Kopf tatsächlich weh tat (auch Patrick hatte seine Kappe mittlerweile an den Wind verloren), drückte der Wind uns quer in die Mitte des Stromes und Kirk konnte als Steuermann gerade noch einem Schiff ausweichen, das mit hoher Geschwindigkeit einfach aus dem Nichts hervortrat. Diese Situation erforderte - obwohl man nicht eingespielt war- eine hohe Ruhe und Koordination aller, so dass wir nach bangen 3 - 5 Minuten endlich wieder am nur unwesentlich ruhigeren Ufer waren, dort aufpassen mussten, nicht auf Land gedrückt zu werden, im Falle eines Kenterns aber immerhin das Boot hätten retten können. Der Hinweis auf die historische Brücke von Remagen verhallte ungehört in den Sturmböen. Zu sehen waren die Fundamente der Brücke sowieso kaum im Regen. Aufmunternd waren allerdings die Zeichen und Zurufe der Spaziergänger, die sich vor dem Regen in etliche Vorsprünge und Türen gerettet hatten und uns mit nach oben gestreckten Daumen zeigten, dass sie anerkannten, was wir da gerade taten. Es blieb jedoch noch einige Zeit so und als wir dann auch noch "Waschlappen" auf der windgeschützten Innenseite des Stromes fahren sahen, während wir außen in der Strömung mit den Wellen kämpften, begannen wir leise unser Lied zu summen: "Take a walk on the wild side...".

So wurde Remagen durchfahren und es ging endlich auf den Weg nach Bonn. An der Insel Nonnwerth vorbei, wo es endlich für ein paar Kilometer einmal gewohnt ruhiges Wasser gab und wir dementsprechend genügend Schub machen konnten, sogar die mittlerweile zu uns gestoßenen Boote der "kurzen" Distanz von 45 km auf Distanz zu halten.

Doch sollten Sonne und Windstille nicht lange anhalten. Bereits nach der nächsten Kurve, als man 10 km später aus Rhöndorf auf Drachenfelsen und Petersberg zufuhr, war es mit der Idylle wieder vorbei.

Unter der Südbrücke dann - 500 Meter vor dem Ziel - lagen mehrere Boote, vorwiegend mit jungen Mannschaften, die nicht mehr konnten oder weiterwollten und die Boote bereist - bis zu Hüfte im Wasser stehend - auf Land wuchteten. Wir waren zwar langsam ziemlich nass und müde, auch wurde kaum noch gesprochen, während man vorher immer noch gegenseitig Aufmunterung gespendet hatte und nur der Steuermann wurde noch ab und zu mit einem geschrienen Aufmunterungsbefehl gehört, doch wir warn nicht bereit, nun aufzugeben.

Auch meinten einige nachher, das 650-Kilometer-Schild mehrfach gesehen zu haben, weil man sich in den letzten 10 km wirklich freute, bald anzukommen. Die letzten fünf Kilometer wurden dann zwar nicht die Hölle, aber doch auch nicht amüsant. Von der Südbrücke bis zum Ziel waren es noch fünfhundert Meter sehr rauhen Wassers, das auch unter Land nicht besser wurde.

In das Dröhnen der Zielsirene schallten bereits die Rufe Umstehender, wir sollten wieder raus in den Strom fahren. Beim Umdrehen sahen wir eine Mannschaft, die auf dem Kiel des Boots liegend versuchte, an den Steg heranzukommen, während ein anderes Boot direkt vor dem Steg gekentert und mit Wasser voll gelaufen war und es fünfzehn Mann braucht, es an Land zu bringen. Während wir also gewendet hatten und versuchten, gegen den Wind und die Strömung an den Steg zu kommen - die ersten Meter tat sich gar nichts - erkannte man uns glücklicherweise als "Hunderter" und gab Anweisung, uns zuerst anlegen zu lassen. Das schöne Gefühl, wieder einen Steg unter den Füßen zu haben - damit immerhin einigermaßen festen Grund - wird wohl keiner vergessen.

Das Boot wurde abgelegt, geduscht - während noch andere Mannschaften mit Heizdecken in der Umkleide standen, die vorher gekentert waren - und erst hier wurden die ersten Verletzungen festgestellt. Offene Knie und Fersen, Rückenschmerzen, die es nicht zuließen, sie im Laufe der nächsten zwei Stunden zu bücken und erstaunlich gut erhaltenen Hände, dank Patricks erfahrener Entscheidung zu flexiblen Holzskulls.

Dann ein Teller Chili, eine Bratwurst, ein Kölsch, die Einstellung des Marathon- Weltrekords auf dem Ergo miterleben...aber nichts so richtig sehen.

Die Bonner hatten viel Spaß an uns und der Präsident lobte uns in der Siegerehrung als sehr internationalen Ruderverein von der Mosel.

Als Belohnung für den Dritten Platz gab es T-Shirts.

Wir waren nur froh, dass wir unser Ziel unter sieben Stunden erreicht hatten und sind uns sicher, dass wir bei etwas ernsthafterer Herangehensweise, mehr Erfahrung in solchen Sachen und größerer Professionalität, vor allem, was die Speisenfolge und -Menge am Vorabend (so dass niemand mehr anhalten und sich auch keiner mehr während des Rennens übergeben muss) betrifft und die Verbesserung der Wechsel angeht, beim nächsten Mal (wann auch immer) mindestens eine halbe Stunde herausholen können. Der Rekord von 04:58 h wird wohl noch etwas dauern...

Trotzdem waren alle froh, dass man vor allem als Mannschaft manche Extremsituation ruhig und besonnen und vor Allem, ohne sich gegenseitig anzufallen, überstanden hatte.

Und jeder war für sich froh und ein klein bisschen stolz (sogar Patrick, und er nahm alles mit einer Ruhe, als habe er das Alles nicht fünf- sondern fünfzig Mal gemacht), dieses Ding, auf seine Weise wohl eins der härtesten Rennen Deutschlands oder Europas, überstanden zu haben und an seine Grenzen gegangen zu sein...und nun zu sehen, dass die Grenzen gar nicht immer da sind, wo man sie vermutet.

Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt.

Fotos gibt's im Treviris Bilderalbum.